Prof.Dr. G. Buhse Mai 1975
Besatzmaßnahmen
Die Sorge um unsere Gewässer mit ihrem Fischbestand wird mit Recht immer größer. Dabei soll eine Patentlösung wie Besatzmaßnahmen über die ganze Misere, die sich in dem Lebensraum Wasser abspielt, hinweghelfen. Oft mindern wir aber mit dem Ankauf und dem Besetzen von Fischen nicht diese Not, sondern vergrößern sie mitunter. Dieser Tatbestand ist wohl schon des öfteren beobachtet oder diskutiert worden. Es soll daher im Nachstehenden über Besatzmaßnahmen im Rahmen der Förderung der Fischerei einiges gesagt werden.
Die Tiere als Warmblüter haben im allgemeinen eine begrenzte Nachkommenschaft. Schafe, Rinder, Ziegen, Rehwild oder Hasen usw. haben eine Nachkommenschaftsquote, die weit unter 102 im Jahr, ja sogar meistens unter 10 liegt. Der Fisch besitzt eine Nachkommenschaftsquote von 103 – 106 . Diese Fruchtbarkeit rechtfertigt demzufolge in der ungestörten Natur in keinem Falle Besatzmaßnahmen . Untersucht man aber den Grund des Fischrückgangs stößt man auf einschneidende umweltbedingte Eingriffe, die naturfeindlich sind:
Regulierung der Bachläufe
Zerstören der Laichplätze
Fehlen der Unterstände für größere Fische
Zurückgehen des Wasserstandes während der Trockenperiode
Verstärkte Übereutrophierung
Belastung des Fischloses durch Abwässer, Tenside und Biozide
Der Lebensraum Wasser reagiert also mit einer veränderten Fruchtbarkeit. Die vorher ausgeglichene Fauna- und Floraproduktion verschiebt sich zu Gunsten unerwünschter Bestände, die z.B. biologisch lebenshärter reagieren, aber auch nicht so wertvoll sind oder auch störend wirken können.
Der Begriff ‘Unkraut‘ in Kulturland ist uns aus der Landwirtschaft oder Gärtnerei geläufig. In der Fischwirtschaft gibt es ähnliche Begriffe. Die Einplanung der gezielten Fruchtbarkeit des Gewässers muß im Vordergrund stehen. Redewendungen wie Fischverachtung als Nahrungsmittel sollte bei Freizeitfischern verpönt sein. Der Fischer, der fängt, also über Leben und Tod entscheidet, soll auch Achtung vor den Fischen als Lebewesen haben, indem er sie genießt und sich nicht nur an dem Fangen und Töten berauscht. Dabei wird es unterschiedlich sein, ob ein Gewässer vorwiegend ‘Fischunkraut‘ beherbergt oder in seinem Abwachs auch einen hohen Prozentsatz an Edelfischen aufweist. Dem Übel ist demnach mit Leichtigkeit beizukommen, indem die Beeinträchtigungen beseitigt werden. Gelingt dieser Schritt, ist ein Besetzen mit Jungfischen in nahezu allen Fällen kaum erforderlich. Dies scheint eine harte Forderung zu sein, ist doch der Ankauf von Jungfischen, das Besetzen der Gewässer, viel einfacher als das Abstellen der Störfaktoren, und gibt dieser Vorgang doch oft vielen Beruhigung, etwas Gutes, ja manchmal sogar Ausreichendes, getan zu haben.
Viele Bestockungsversuche zeigen, daß aber der erwünschte Erfolg ausbleibt, ja ausbleiben muß. Das heißt aber dann, daß die nur im beschränkten Maß zur Verfügung stehenden Mittel unsachgemäß vertan sind. Die harte Forderung, auf welche Weise eine Förderung der Fischerei zu erfolgen hat, ist demnach vorweg zu stellen. Da aber die Natur vielgestaltig ist, kann keine Elementarformel zum Erfolg aufgestellt werden. Hierzu sind vorerst einmal die einzelnen Gewässertypen zu unterscheiden und dann die für sie geeigneten Fischarten herauszustellen. Jede Fischart ist auf ihren Lebensraum abgestimmt. Die Aufstellung der Gewässer nach Regionen gibt hierzu den Leitfaden.
Den Wohnbedingungen nach wollen wir nachstehende Gewässer unterscheiden:
Gewässerarten
1.) Fließendes Gewässer (offene Gewässer) – der Wechsel der Fische ist gewährleistet.
1.1 Forellenregion
1.2 Äschenregion
1.3 Barbenregion
1.4 Altarm in der Barbenregion
1.5 Brassenregion
1.6 Altarm in der Brassenregion bzw. Buhnenfelder
2.) Stehende Gewässer – meistens geschlossene Gewässer.
2.1 Ablaßbare Teiche mit zu regelndem Zu- und Ablauf.
2.2 Eutrophe Teiche (Dorf-, Hofteiche)
2.3 Waldteiche (Garten-, Park-, Waldteiche) – beschattet, Laubeinfall.
2.4 Stauteiche (Mühlen-, Feuerlöschteiche, Staubecken) – keine Gelegegürtel.
2.5 Nichtablaßbare Teiche mit Zu- und Abfluß (Quell-, Bachteiche).
2.6 Seen
2.7 Nichtablaßbare Teiche ohne Zulauf (Himmelsteiche).
2.8 Kies- und Baggerseen.
Jede Fischart wechselt im Laufe eines Jahres ihren Standort. Freß- und Laichgebiete sind einander konträr. Das Aufsuchen der Laichplätze wird durch Gensignale vererbt. Dies wird auch als angeborener Instinkt bezeichnet. Nur gleichartige Gensignale einer Rasse ermöglichen es, den Geschlechtspartner auf dem Laichgebiet zur rechten Zeit zu finden und die Befruchtung der richtig abgestoßenen Eier zu vollführen. Diese Genanlagen können breit angelegt sein, sie können aber auch z.B. zeitlich eng begrenzt sein. Kommen Fische mit unterschiedlichen Signalen zusammen, ist die Befruchtung in Frage gestellt. Praktisch bedeutet dies, daß fremde Rassen, ja sogar schon Fische aus fremden, entfernten Einzugsgebieten, einander stören können und nicht zur Fortpflanzung kommen. Die teuren Besatzmaßnahmen zeigen dann nicht den erwünschten Bestockungserfolg. Die Forderung muß daher sein: Der beheimatete Fisch ist auszusetzen, d.h. der richtige Besatzfisch ist aus dem Zuchtbetrieb anzukaufen, der im oder am Einzugsgebiet des Gewässers liegt, das zu bestocken ist.
Ein weiterer Hinweis sollte ebenfalls Berücksichtigung finden. Unsere Fischbestände in den offenen Gewässern haben sich in Jahrtausenden gebildet und bewährt. Sie haben sich durch Selektion der Umwelt angepaßt. Kommen fremde Rassen hinzu, scheinen mitunter oft diese zu dominieren und verdrängen die alten Fischbestände. Sie sind aber den naturbedingten Umweltgegebenheiten nicht angepaßt und versagen beim nächsten Winter oder anderen Zeiten extremer Faktoren, denen sie nicht gewachsen sind. Das Gewässer verliert den neu eingesetzten Fischbestand, hat aber den alten bewährten bereits durch verkehrte Besatzmaßnahmen verloren. Die Folge muß sein, daß Fischunkraut sich breit machen kann und den Lebensraum ‘überwuchert‘.
Im Zeitalter der modernen Technik ist der Transport von Besatzfischen nicht mehr so schwierig, wie noch vor einem halben Jahrhundert, wo die Forellen im Schüttelfaß auf einem Pferdefuhrwerk transportiert wurden. Plastikbehälter mit Luftversorgung oder Sauerstoffzugabe können auch zur Überwindung größerer Entfernungen auffordern und reizen. Aber was soll es! Selbst wenn ein gutes, preisgünstiges Angebot an Satzfischen einen guten Einkauf vortäuscht, können diese Fische aus den entfernten Gewässern nicht den eigenen überlegen sein.
Hinzu kommt das Einschleppen von Krankheitserregern und das Fehlen der Resistenz eigener durchstandener Erkrankungen. Zu den Krankheitserregern mögen auch die weit verbreiteten Fischparasiten gehören. Die Karpfenlaus (Argulus) ist ein typischer Vertreter hierfür. Ebenso gefährlich ist ein anderes Krebstierchen als Berufsparasit, das die Kiemen des Fisches befällt (Ergasilus). Der Besatz (z.B. die Schleien) kann noch einen gesunden Eindruck machen und bringt die Parasitenüberträger beim Besatzankauf mit, womit der eigene Fischbestand verseucht ist.
In der letzten Zeit sind durch unkontrollierte Besatzmaßnahmen vielfach die Kratzer in noch gesunde Gewässer verschleppt worden. Diese Acanthocephalen leben im Enddarm der Fische und schmarotzen beim Wirt. Da es zunächst kein Krankheitsbild zu geben braucht, ist eine Feststellung von Parasitenträgern nur dem Fachmann oder dem geschulten Auge vorbehalten. Auch hier gilt der Grundsatz, den Fisch aus der bewährten Zuchtanstalt anzukaufen, auch wenn er etwas teurer mitunter ist als verbilligte Massenangebote von weit her.
Welche Fische eignen sich als Besatz und für welche Gewässer?
Selbstverständlich muß die erste Forderung sein, nur Edelfische einzusetzen. Aber auch hier gibt es Fragen und Zweifel nach dem geeigneten Alter. Jeder Fisch soll so jung wie möglich in seinen für ihn bestimmten Lebensraum kommen. Das Einleben wird ihm erleichtert, was im ‘Kindesalter‘ immer einfacher ist als im ‘Jugendstadium‘, geschweige denn als ‘erwachsener‘ Fisch. Zum anderen wird beim Einsetzen von Jungfischen wesentlich besser die angebotene Fauna verwertet und für eine fortschreitende Neuentwicklung der Lebensraum freigemacht. Und schließlich ist der junge Fisch billiger als der ältere. Die Kopfzahl, die ins Wasser gelangt, ist demzufolge für den angesetzten Betrag höher, was sich günstig auswirken muß.
Selbstverständlich gibt es auch hier Grenzen. Fischeier in ein Gewässer zu bringen, ist in vielen Fällen nicht angezeigt. Der Ausfall ist prozentual zu groß. Räuberisch lebende Fische wie der Aal würden hiermit nur gefüttert werden.
Auch ist bei der Brut ein hoher Verlust zu verzeichnen. Einsele stellte in den Alpenseen fest, daß der Nachwuchs der Coregonen stets nicht ausreichend war. Dies lag an der Tatsache, daß das Schlüpfen der Coregonen in die Zeit fiel, in der das Plankton noch nicht genug entwickelt war. Ein Anfüttern und Aussetzen der vorgestreckten Brut ergab die gewünschten Erfolge.
Ein ähnliches Verhalten zeigt sich beim Hecht. Unsere Gewässer verarmen an Hechtbestand. Hier wirken sich die regulierten Flüsse störend aus. Überschwemmte Wiesen, die der Hecht zur Ablaiche im Frühjahr braucht, fehlen nahezu vollkommen. Es muß demzufolge auf Besatz zurückgegriffen werden. Dabei ist Brut einzusetzen, wegen zu hoher Verluste nicht angezeigt. Wohl aber ist der vorgestreckte Hecht (Hy) in einer Größe von 3 – 5 cm widerstandsfähig genug und liefert gleichzeitig die höchste Kopfzahl für den zur Verfügung stehenden Betrag zum erfolgreichen Besatz und Abwachs im Wasser. Eine gute Verteilung der vorgestreckten Hechtbrut muß aber dabei durchgeführt werden. Da er kannibalistisch veranlagt ist, darf er seinen Artgenossen nicht ins Gesichtsfeld kommen. Eine gute Verteilung hilft den Erfolg zu fördern. Dies ist beim Zandersetzling nicht nötig.
Im nachstehenden sind die für den Besatz sich eignenden Edelfische aufgezählt und das günstige Alter für die Bestockung gekennzeichnet.
Besatzfische (Edelfische)
Ei Br. vorg. 1.sömm. 2.sömm. Sp.-F. Laich-F.
FB Bachforelle - + - ++ + - -
FR Regenbogen - - - ++ + - -
Ä Äsche - - - ++ + - +
K Karpfen - - + + + + -
S Schleie - - - - + + +
H Hecht - - ++ + - - -
Z Zander - - - ++ - - -
A Aal - ++ - - - - -
Ziel muß sein, in einem Produktionsabschnitt (Sommer) einen guten Kg/ha – Ertrag zu erreichen. Die Fangart ist sekundär (Haken, Reuse, Netz, Elektrofischerei).
Einige Richtlinien zusammengestellt
1.) Besatzmaßnahme bedeutet, Jungfische ins Gewässer bringen, wobei die Fischart dem Gewässer angepaßt sein muß. Die Fische sind im Vergleich zu den Tieren (Warmblüter) wesentlich fruchtbarer. Sie produzieren selbst an Nachkommenschaft genug. Die Edelfische haben aber Laichgebiete verloren (Regulierung der Flüsse) oder ihre Nachkommen als Brut werden durch Abwässer stark reduziert. Dies rechtfertigt die Besatzmaßnahme an Edelfischen.
2.) Alle Besatzfische müssen vollkommen gesund sein. Andernfalls ist ein Einschleppen von Krankheiten und Parasiten gegeben. Die Besatzfische müssen aus einem anerkannten Zuchtbetrieb kommen.
3.) Alle Besatzfische sollen aus dem Einzugsgebiet stammen (Flußsystem), in dem das zu besetzende Gewässer liegt.
4.) Die besten Besatzfische sind stets die, die die naturveranlagten Signale am wenigsten verloren haben, also am geringsten domestiziert sind.
5.) Der jüngere, kleinere Fisch ist stets der wertvollere. Der stark gemästete Jungfisch eignet sich weniger gut für Besatz in offenen Gewässern.
6.) Der jüngere Fisch ist gleichzeitig der billigere Fisch. Mit den zur Verfügung stehenden Besatzmitteln kann mit ihm die größte Kopfzahl ins Wasser gelangen.
7.) Die Nahrungskette wird mit jüngerem Besatzmaterial wesentlich besser ausgenutzt. Gleichzeitig ist der Jahreszuwachs mit ihm erheblich besser.
8.) Bei jedem Einsatz von Jungfischen ist auf eine gute Temperaturadaption zu achten. Der hierfür erforderliche Zeitfaktor muß beim Besatz vorher eingeplant sein.
9.) Die Kontrolle eines gesunden Gewässers zeigt einen zufrieden stellenden Jahresabwuchs in Kg/ha/a. Hierzu ist das führen einer Fangstatistik unumgänglich.
Mai 1975 gez. Prof. Dr. G. Buhse