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Joachim Klinke

 

 

Herrn

Fritz Dannenberg                                              9.10.1980

 

Lieber Fritz Dannenberg –

 

Ihr Rundschreiben in Sachen Besatz Pachtverein verlangt eine Stellungnahme. Dass diese sehr kritisch ausfällt, bitte ich zu entschuldigen. Ich weiss ja aus verschiedenen Unterredungen, dass Sie hier bedrängt werden.

 

Zunächst etwas Grundsätzliches:

 

Der grossen Masse unserer Mitglieder fehlen die fischereibiologischen und auch praktischen Kenntnisse und Erfahrungen, um eine Besatzwirtschaft richtig beurteilen zu können. Dies habe ich im Laufe der Jahre bei verschiedenen Dis­kussionen nicht nur im Pachtverein feststellen müssen, und zwar gilt dies auch für alte und erfahrene Angler.

 

Lassen Sie mich nun im Einzelnen auf Ihre Besatzabsichten Aue/Seeve zurückkommen:

 

Zunächst einmal der Besatz mit Regenbogenforellen 300 bis 400 Gramm.

Nach meiner Ansicht sollten wir in unsere Bäche nicht Regenbogen einbringen - auf keinen Fall in die Aue. Zumindest in das reine Bachforellengewässer oberhalb der Schmalenfelder Mühle gehören Regenbogen in keinem Falle hinein.

 

Wenn Sie einen Versuch machen wollen, so sollte das meiner Überzeugung nach nur aus fischereiwissenschaftlichen Gründen geschehen, und zwar dann ausschliesslich mit vorgestreckter Brut (Sömmerlingen) des von Ihnen ermittelten Shasta-Stammes.

 

Der Besatz mit fangfähigen Regenbogenforellen könnte uns in fatale Nähe der Leute bringen, die Teiche mit fangfähigen Regenbogen besetzen, um sie dann wieder heraus zufangen - wobei wenigstens die dort eingesetzten Forellen nicht abwandern können, was auch bei einer Shasta selbst mit einiger Sicherheit nicht gesagt werden kann - denn an eine Fortpflanzung der gelegentlich als "Laichfisch" deklarierten fangfähigen Forellen ist wegen der Situation an unseren Bächen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu denken.

 

Was Sie für die "selektierten und frohwüchsigen neuen Bachforellen" 22-25 cm
bezahlen weiss ich nicht. Sicher DM 1,20 und mehr, also einen Betrag, für den
wir allermindestens 20 "Sömmerlinge" beziehen können, die nach meinen in der
Aue zugegebenermaßen nur mit der Fliegenrute ermittelten Ergebnissen innerhalb
von 1 1/2 Jahren auf die Länge von 20 bis 25 cm abwachsen, und zwar mit einem
Prozentsatz, der nach in anderen Bächen (Bille, Nethe und Örtze) teilweise durch sorgfältige Elektroabfischungen ermittelten Ergebnissen zu aller- mindestens von 10 % über den zweiten Sommer kommt; d.h., wir haben nach l 1/2 Jahren für max. 60 Pfennig eine eingelebte Bachforelle, wobei hier eine durch die Umwelteinflüsse gegebene Selektion mit Sicherheit besser ist, als es jeder Züchter erreichen kann.

 

Es gäbe nur einen einzigen Grund, von dieser seit nunmehr 5 Jahren von meinen Freunden und mir inzwischen wirklich erprobten Methode abzugehen, und zwar wenn wir durch Schuppenuntersuchungen ausreichenden Materials (50 Fische zwischen 20 und 25 cm) feststellen würden, dass diese im Vergleich zu den vom Züchter ge­kauften deutlich älter sind, d.h. in der Regel am Ende ihres dritten Sommers stehen (wenn die Kontrolle im Herbst erfolgt).

 

Dies war nach den Untersuchungen von Dr. Wehrmann und des Institutes für Hydrobiologie, die aus der Bille und Nethe entsprechende Fische bekamen, nicht der Fall. Die Fische zwischen 20 und 25 cm waren von wenigen Ausnahmen abgesehen erst l 1/2 Jahre alt.

 

Wenn Sie also diese sehr interessante neue und frohwüchsige Züchtung versuchen wol­len, wozu ich durchaus raten möchte, dann auf jeden Fall auch mit den "Sömmerlingen" von 3 bis 5 cm.

 

Bedenken Sie insbesondere, dass auch 2-sömmrige Bachforellen nach dem Einbringen in ein fremdes Gewässer nicht unerhebliche Verluste erleiden (Stress mit anschliessender Milchsäurebildung im Muskelgewebe, wobei in vielen Fällen die Folge lautloses Verenden nach einigen Tagen der Fall ist).

 

Der oben erwähnte Preisvergleich ist deshalb mit einiger Sicherheit nicht     l : 2 sondern mindestens l : 3 zu Gunsten der "Sömmerlinge".

 

Ich bin gern bereit, hier mit unseren sachkundigen Mitgliedern zu diskutieren, ver­trete aber grundsätzlich die Ansicht, dass die Art des Besatzes nicht durch eine Mehrheitsentscheidung im Verein beeinflusst werden sollte sondern dass hier ausschliesslich der Vorstand nach sorgfältigen Prüfungen, d.h. nach genauen Untersuchun­gen und Befragungen von Fischereibiologen und Praktikern, allein zu entscheiden hätte.

 

Nicht ganz erst gemeint:

"Ich wäre bereit, eine namhafte Spende zu geben für die Anpachtung und den Besatz eines "Forellenteiches" mit fangfähigen Fischen, damit die Mitglieder, denen das absolut normale Verhältnis von l : 8 oder auch l : 10 untermaßig/maßig der in den Bächen gefangenen Forellen nicht gefällt, bei jedem Fang einen maßigen Fisch an den Haken bekommen."

Bitte betrachten Sie diese kleine bösartige Glosse nicht zu ernst. Ein Körnchen Wahrheit ist aber ganz bestimmt daran.

 

Im übrigen danke ich als langjähriges Mitglied des Pachtvereins sehr für Ihre und des Vorstandes ausserordentliche Bemühungen und Bestrebungen, wie sie in dem sehr interessanten Rundbrief deutlich zum Ausdruck kamen.

 

Wenn ich mich hier weder mit Spende noch mit Arbeitsleistung beteilige, so wissen Sie, dass ich dies nicht aus mangelndem Interesse und Willen tue sondern aufgrund der Tatsache, dass ich nun inzwischen auch schon im 67. Jahr stehe und mit der Be­wirtschaftung der Bille ein gerütteltes Maß entsprechender Arbeitsleistung zu be­wältigen habe und weil ich insbesondere auch nicht eine Aktion unterstützen will, die ich nicht nur nicht für sinnvoll sondern teilweise für ausgesprochen schädlich halte.

 

Gern bin ich bereit, bei einer ad hoc zusammengerufenen Zusammenkunft vor besonders interessierten und auch sachkundigen Mitgliedern die oben angebotene Diskussion unter einem fairen Diskussionsleiter, z.B. Ihnen, oder den anderen Angehörigen des Vorstandes zu führen.

 

Mit besten Grüssen Ihr

 

P.S.

Noch folgender Hinweis: Für die DM 4.OOO,— könnten wir 66.666 "Sömmerlinge" einsetzen, die nach längstens 2 Jahren in einer Menge von 6000 bis 8000 Stück, bis. auf 20 - 25 cm abgewachsen, alle unsere Seeve- und Aue-Strecken bevölkern würden!

 

 

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