Joachim Klinke
Herrn 14.Februar 1978
Willi Ostermann
Vorsitzender des
Pachtvereins Hamburger Angler
Lieber Willi,
durch meine Reise ist es mir leider nicht möglich,
die beiden nächsten Versammlungen, insbesondere die Hauptversammlung, zu
besuchen (ich fliege am 14.2. und komme am 8.3. zurück).
Die Besatzmaßnahmen für die Salmonidenbäche des vorigen
Jahres lassen mir aber keine Ruhe, und ich bitte Dich sehr, folgendes in Deiner
Eigenschaft als Vorsitzender des Pachtvereins zur Kenntnis zu nehmen.
Der Besatz mit fangfähigen Forellen ist keine
"Bewirtschaftung" eines Gewässers, sondern in erster Linie wohl der
Versuch, den Vereinsmitgliedern möglichst rasch möglichst große Fische zum möglichst
baldigen Herausfangen zu bieten.
Der Hinweis auf die Sportanglervereinigung wird von mir
nicht als stichhaltig angesehen.
Ich begründe wie folgt zusammenfassend:
Zunächst einmal sind die Aussagen über die Luhe nicht schlüssig.
Um festzustellen, ob eine Besatzmaßnahme greift, muß man vor dieser Besatzmaßnahme
wesentliche Strecken als Teststrecken elektrisch abfischen, den Bestand
ermitteln und protokollieren, und nach der Besatzmaßnahme erneut abfischen und
protokollieren und die Bestände vergleichen. Dies ist meines Wissens bei der Luhe
so nicht geschehen. Man hat wohl nur nach einer 1976 oder 1977 durchgeführten
Elektroabfischung festgestellt, daß in der Luhe ein sehr befriedigender
Forellenbesatz in allen Altersgruppen gegeben ist. Dies kann durchaus andere Gründe
haben und hat es nach meiner festen Überzeugung auch.
Die Luhe ist ein sehr gutes, relativ schonend befischtes und
gering belastetes Gewässer mit idealen Laichbedingungen, insbesondere ausreichend
Kiesbänken. Der Bestand ist meines Erachtens nach durchaus in der Lage, einen
befriedigenden, wenn auch vielleicht nicht optimalen Besatz zu gewährleisten,
aber nicht wegen sondern eher trotz des Besatzes mit fangfähigen Fischen.
Wir waren uns in den vergangenen Jahren beim Pachtverein
immer darüber im klaren, daß in Aue und Seeve praktisch kein eigener
Forellennachwuchs zu erwarten ist. Elektroabfischungen in der Aue unterhalb von
Hanstedt (Gegend Schafbrücke) haben damals ganz klar gezeigt, daß der einsömmrige
Fisch, den wir in dieser Gegend nicht ausgesetzt hatten, auch fehlte.
Selbst wenn man sich der Hoffnung hingeben sollte - wie das
wohl die Sportanglervereinigung tut - daß die ausgesetzten fangfähigen Fische
Brut produzieren (was mit Sicherheit aus verschiedenen Gründen, die noch zu erwähnen
sind, nicht ausreichend der Fall ist) so sollte man doch zumindest zunächst
einen Preisvergleich anstellen.
Wenn man für einen fang- und laichfähigen Fisch DM 6,— oder
sogar noch mehr aufwenden muß, so könnte man dafür - wie wir das praktiziert
haben, 1OO - 130 Bachforellen - Sömmerlinge in der Größe zwischen 3 und 5 cm
bekommen, von denen, nicht nur nach meiner Beobachtung (leider hat das
wiederholt erbetene Elektrokontrollfischen nicht stattgefunden) mindestens 10 %
das Schonmaß erreichen.
Selbstverständlich sind dies die lebensfähigsten und
schnellwüchsigsten Fische, die sich durchgesetzt haben, und die mit etwa 500 %
Gewichtsvorteil gegenüber naturgewachsenen Fischen in den Bach kommen, die
deshalb auch sehr rasch weiterwachsen und nach meinen genauen Ermittlungen nach
ca. einem halben Jahr zwischen 16 und 18 cm, und nach anderthalb Jahren zwischen
22 und 28 cm Länge bis zu einem Gewicht von 2OO g abgewachsen sind.
Selbst wenn von diesen Fischen nur einer fangfähig würde, so
wird er das mit Sicherheit in einem jugendlicheren Alter als die gekauften
Fische, und er erreicht dabei mit Sicherheit ein höheres Gewicht; aber es
sind mit Sicherheit wesentlich mehr, die dieses fangfähige Stadium erreichen.
Vieles müßte man überprüfen. Wir haben das an der Bille
getan - an einem Bach, dessen Umweltbedingungen wesentlich ungünstiger sind als
in Aue und Seeve.
Wir haben durch genau protokollierte Ergebnisse von
Elektroabfischungen festgestellt, daß mindestens 15 % zu einer Größe von
durchschnittlich 25 cm nach l 1/2 Jahren abgewachsen waren, und wir rechnen
fest damit - und werden das auch überprüfen - daß von diesen 15 % dann
mindestens die Hälfte in diesem Frühjahr das interessante Fangmaß von 30 cm
erreichen.
Wir alle, der Pachtverein und die FSG haben - nicht zuletzt durch
Verschulden des Unterzeichneten - in den letzten 25 Jahren entsetzlich viel
Lehrgeld gezahlt. Seit etwa 2 Jahren wissen wir nun, wie wir es machen müssen,
und gerade zu diesem Zeitpunkt, da die Ergebnisse für jeden interessierten
Beobachter völlig klar und positiv zuerkennen sind, geben wir entsetzlich viel
Geld aus für so genannte fang- oder laichfähige Fische, von denen mit
Sicherheit der überwiegende Prozentsatz aus Männchen besteht - denn welcher Züchter
gibt schon seine Weibchen ab - und von denen kein Mensch weiß, ob sie 4, 5, 6
oder 7 Jahre alt sind und damit vielleicht nur noch 1-3 Jahre zu leben haben,
von denen weiter kein Mensch weiß, ob sie nicht vielleicht Meerforellenblut
haben, was zu einem Abwandern eines wesentlichen Teils führen würde, von denen
niemand weiß, mit welchen Krankheiten sie behaftet sind (bei Sömmerlingen ist
die Gefahr, Krankheiten zu übertragen, nach gesicherten Erkenntnissen
wesentlich geringer) und von denen schließlich niemand weiß, wie schnell und
wie weit sie abwandern.
Wir haben vor einigen Jahren bei der FSG nach einem totalen
Sterben eine ganze Population vom Brutfisch bis zum 4O cm langen Fisch eingesetzt.
Wir haben diese Maßnahme elektrisch überprüft und festgestellt, daß die
Fische, soweit sie über 25 cm lang waren, deutlich kümmerten; wir haben auch
eine ganze Menge toter Fische, insbesondere großer über 35 cm gefunden (was in
der seichten Bille leichter möglich ist), und wir haben uns auch von Fachleuten
(Biologen und insbesondere Praktikern) sagen lassen müssen, daß wir hier einen
Fehler gemacht hatten, als wir fangfähige Fische einsetzten.
Selbst wenn alles gut geht, die eingesetzten Laichfische
nicht kümmern, nicht abwandern, je etwa zur Hälfte aus Weibchen bestehen und
auch noch so rechtzeitig eingesetzt werden, daß sie den Stress des Umsetzens überstehen
und noch zum Ablaichen kommen: In unseren stark überdüngten Gewässern kommt
kaum Brut hoch und selbst in noch sehr sauberen Bächen: Wie viele Brütlinge
glauben wohl die Befürworter von einem Laichpaar erwarten zu können und wie viel
glaubt man werden von diesen Brütlingen überleben und groß werden? Es gibt eben
leider nur einen Grund, der solchen Besatz in den Augen mancher Sportsfreunde rechtfertigt,
und das ist die Tatsache, daß man bald große Fische raus fangen kann.
Dies ist aber keine Bewirtschaftung, sondern eine sehr
zweifelhafte Maßnahme, die uns in die Nähe derer rückt, die in einer Kiesgrube
große Regenbogenforellen aussetzen, um sie dann heraus fangen zu lassen.
Abschließend noch einige Zitate aus dem neuesten Leitfaden für
die Fischereiausübenden in der Binnenfischerei des Landes Niedersachsen,
betitelt "Die Hege von Fischbeständen", Ausgabe Dezember 1976:
Hier steht auf Seite 9:
"Wenn ... große Mengen fangreifer Fische bestimmter Art
ausgesetzt werden, so trägt dies sicherlich nicht zum Ausbau und zur Pflege
eines gesunden Fischbestandes bei. Es führt eher zum Kannibalismus, zum
Dahinvegetieren oder gar zum Absterben des Bestandes" (Ende des Zitats)
Auf Seite 17 :
"Im allgemeinen sollten"' in einem Gewässer keine
Fische eingesetzt werden, die älter als l Jahr sind. Durch den Besatz mit
Jungfischen werden die Fischnährtiere optimal genutzt, das heißt, die Produktionskraft
des Gewässers wird ausgeschöpft, und es wird ein natürlicher Altersaufbau
erreicht, der letztlich auch eine natürliche Vermehrung der Fischart im Gewässer
gewährleistet." (Ende des Zitats)
Auf Seite 19 :
"Bei Verwendung von vorgestreckter Brut stellen sich
die Fische leichter auf das neue Gewässer ein, und es kommt nicht so leicht zu
Verlusten bei Revierabgrenzung unter den Fischen." (Ende des Zitats)
("Vorgestreckte Brut" sind die von uns 1976 bezogenen "Sömmerlinge")
Auf Seite 32 :
"In manchen Fällen wird versucht, den Fischbestand in
zu stark befischten Gewässer-Strecken durch einen Überbesatz wieder auszugleichen.
Dazu werden dann meistens auch fangreife Fische in das Gewässer eingesetzt.
Dies hat mit Hege nichts mehr zu tun und käme einer Hälterfischerei
gleich." (Ende des Zitats)
Und schließlich auf Seite 33 :
"Große Raubfische im Gewässer rechtfertigen nicht einen
Besatz mit fangreifen Fischen."
All diesem habe ich nichts hinzuzufügen. –
Obwohl ich aus bekannten Gründen höchstens noch ein- oder
zweimal an unsere Gewässer zum Fischen komme, liegt mir das Schicksal von Aue
und Seeve, um die ich mich besatzmäßig so viele Jahre gekümmert habe, doch sehr
am Herzen, und ich wäre wirklich dankbar, wenn die gemachten Erfahrungen, die
zum großen Teil ja auch zeichnerisch oder protokollarisch festgehalten sind,
nicht ohne weiteres beiseite geschoben werden.
Ich bitte deshalb um Hinzuziehung zu den Sitzungen des
Besatzausschusses - Salmonidengewässer. Falls das in Erwägung gezogen wird, werde
ich alles versuchen, die Teilnahme zu ermöglichen.
Abschließend noch eine interessante Mitteilung:
Ich habe mich ja seit vielen Jahren um Äschenbesatz bemüht. Die
Erfolge waren nicht gut. Einsömmrige Fische zu einem Preis von 60 - 70 Pfennig
frei Wasser wurden in der Bille nur zu etwa 2 bis 3 % fangreif.
Die günstigsten Ergebnisse hatten wir noch bei Brütlingen,
die wir aus gekauften Eiern guter Herkunft selbst zogen und sie dann mit einem
kleinen Dottersack im Mai in den Bach einbrachten.
Diese Fische, die ohne Berücksichtigung der Arbeitsleistung
knapp 2 Pfennig pro Stück kosteten, wurden nach unseren Kontrollabfischungsergebnissen
je nach Jahr zwischen 0,5 und l % fangfähig.
Es ist mir gelungen, einen Lieferanten ausfindig zu machen,
der Äschensömmerlinge in einer Größe von 2,5 bis 3 cm zum Preise von etwa 10
Pfennig pro Stück liefern kann - wenn das Jahr günstig ist und er genügend
Laichfische fangen konnte.
Es handelt sich um einen süddeutschen Züchter.
Um den Transport mit LKW zu rechtfertigen, müßte mindestens
für DM 5.000,— gekauft werden. Wir könnten aber mit der FSG, wenn die Sache
klappt, halbe - halbe machen.
Auf jeden Fall hatte es sich bei mir gezeigt, daß die in
eigenen Teichen in sehr begrenzter Menge aufgezogenen Sömmerlinge dieser Größe
die besten Ergebnisse erbrachten, und da wir mit den Forellensömmerlingen so
gute Erfahrungen hatten, besteht doch durchaus die Hoffnung, daß wir auch mit
den entsprechenden Äschen Glück haben.
Auf jeden Fall ist unser Äschenbestand ja sehr
zusammengeschrumpft, und wir sollten auf diesem Gebiet schon etwas riskieren.
Dies ist jedenfalls mein Vorschlag, den ich auf der Hauptversammlung auch vorzubringen
bitte.
Ich bitte nun noch, mir meine offenen Worte nicht zu verübeln.
Mir geht es nur um die Sache, ich will hier niemanden angreifen.
Immerhin habe ich mich mit der Materie wirklich sehr
eingehend befaßt, und zwar eben nur mit dem Besatz für Salmoniden.
Von anderen Besatzdingen verstehe ich nicht viel.
Zumindest sollte man sich die Mühe machen, mit mir einmal zu
diskutieren.
Mit besten Grüßen,
