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Joachim Klinke 1978

 

"Gedanken zum Besatz von Forellenbächen"

 

Die Überlegungen sollten ausgehen von:

 

1.) Um was für ein Gewässer handelt es sich?

    

     1.1. Wie groß und insbesondere wie lang ist die zur Verfügung stehende Strecke?

 

     1.2. Ist es stark durch Hoch- oder Niedrigwasser gefährdet?

1.3. Ist es reguliert und seit wann, und hat es nach Regulierung inzwischen wieder etwas natürlichen Charakter angenommen was in der Regel nach 8 bis 10 Jahren der Fall ist?

 

1.4. Produziert es noch eigenen Nachwuchs oder ist die Belastung zu groß bzw. die Bodenbeschaffenheit für die Fortpflanzung ungeeignet (Mangel geeigneter Kiesbetten?

 

1.5. Zu klären ist das Temperaturverhalten, die Strömungsgeschwindigkeit und die  Sauerstoffkurve (Letztere insbesondere auch in den verschiedenen Jahreszeiten, bei Hoch- und Niedrigwasser und bei den möglichen Maximaltemperaturen.

 

1.6. Welcher Bestand ist vorhanden?

           1.6.1 Welche Arten von Salmoniden bis zu welcher Größe,welche Beifische,

           gibt es "Schadfische".

 

           1.6.2 Handelt es sich um einen autochthonen Salmonidenbestand?

 

     1.7. Welche Nahrungsgrundlage ist gegeben?

1.8. Muss eine Neubestockung nach völligem oder teilweisem Sterben vorgenommen werden?

2.) Wie stark soll, kann das Gewässer befischt werden - voraussichtliche jährliche Entnahme (Stück und Gesamtgewicht – Zuwachsrate)?

 

3.) Ab wann soll die Nutzung möglich sein?

 

4.) Wie lange kann noch genutzt werden (Dauer der Pachtperiode - Aussicht auf Anschlusspacht/eigenes Gewässer)?

    

Die unterschiedliche Beantwortung obiger Fragen wird mehr oder minder große Änderungen folgender Vorschläge notwendig machen:

 

Zunächst ist zu Grunde gelegt ein Gewässertyp mit leichter Abwasserbelastung (Güteklasse 2) ohne wesentlichen - auf jeden Fall ohne ausreichenden eigenen Nachwuchs in der Größe von ca. 1 bis 3 ha und einer Mindestlänge von ca. 3 km.

 

Welche Fehler können gemacht werden:

 

Der häufigste und kostspieligste und in allen seinen Folgen u.U. der schlimmste ist der Besatz mit fangfähigen Fischen - im ungünstigsten Falle mit in Teichen gezogenen Regenbogen.

 

Lassen Sie mich bitte zunächst die Regenbogenforelle behandeln:

 

Es gibt nur wenig Flüsse - und diese praktisch ausschließlich in der Alpen-Region -, bei denen ein Regenbogenbesatz praktisch nicht fast 100%ig abwandert.

 

Zumindestens sollten folgende 4 wesentliche Gegebenheiten erfüllt sein, um einen Versuch mit Regenbogenbesatz zu machen:

 

"Winterwarmes Wasser (sehr starker Quellwasseranteil)".

 

"Ausreichend tiefe Gumpen mit mehr als 3 m Tiefe".

 

"PH-Wert deutlich im basischen Bereich (7,5 bis 8)".

 

"Sehr viel Nahrungsangebot".

 

Eine ausführliche Darlegung würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen und sollte berufenen Spezialisten vorbehalten sein. Wir wollen uns im wesentlichen mit der Bachforelle befassen.

 

Als Grundlage der Überlegung können einige in der Anlage 1 zusammengestellte Zitate aus dem neuesten Leitfaden für den Fischereiausübenden in der Binnenfischerei des Landes Niedersachsen betitelt "Die Hege von Fischbeständen", Ausgabe Dezember 1976, dienen. Hier sind wesentliche Gesichtspunkte erwähnt, die wie folgt ergänzend und zusammenfassend behandelt werden sollen:

 

Wir wollen doch im Wesentlichen folgendes erreichen:

 

Möglichst vollständige Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Gesamtgewässerfläche (die Kubikmeter spielen eine unter geordnete Rolle).

 

Möglichst weitgehende Ausnutzung der gesamten Nahrungsgrundlage vom Kleinst-Lebewesen bis zum kleinen Beifisch.

 

Beide Forderungen verlangen einen optimalen Altersaufbau, der etwa (aber hierüber kann man sehr diskutieren): je nach Art des Gewässers wie folgt aussehen könnte:

 

Fische im ersten Sommer: 6o bis 7o %.

 

Fische im zweiten und dritten Sommer: 15 bis 25 %.

 

Fische ab vierten Sommer: Der Rest.

 

Wie groß der Prozentsatz der Fische ab vierten Sommer betragen kann und soll richtet sich einmal nach der Lebensmöglichkeit, nach Art und Menge und Größe der Nahrung - und insbesondere auch nach der Intensität der Befischung, die ihrerseits besonderen Einfluss auf das Schonmaß haben sollte.

 

So kann bei starkem laufenden Besatz und insbesondere gleichzeitigem mangelnden eigenen Nachwuchs sowie bei starker Befischung (z.B. kopfstarker Verein) das Schonmaß (selbstverständlich bei gleichzeitiger scharf überwachter Stückzahl-Begrenzung) niedrig angesetzt werden.

 

Dies, um einer möglichst großen Anzahl von häufig ja ungeübten Anglern einen Erfolg zu ermöglichen und den "natürlichen Abgang" (durch tierische Schädlinge, insbesondere Reiher, Raubfische usw., Krankheiten) stückzahlmäßig so gering wie möglich zu halten.

 

Dabei sollte das in den ersten 3 Lebensjahren besonders interessante Wachstum (große relative Gewichtszunahme) ausgenutzt werden.

 

Liebhaber großer Fische kommen dabei übrigens durchaus auf ihre Kosten.

 

Auch hier ist eine Vertiefung dieses ebenso wichtigen wie interessanten Themas nicht möglich.

 

Bei Gewässern mit nennenswerten eigenem Nachwuchs stehen wohl andere Gesichtspunkte im Vordergrund.

 

Aus dem oben Gesagten ergibt sich, daß eine optimale Ausnutzung aller, Zuwachsmöglichkeiten (Bevölkerung aller Bachabschnitte, Ausnutzung der gesamten Nahrung, gleich welcher Größe) nur durch den Besatz mit möglichst kleinen Fischen erreicht werden kann.

 

Es bieten sich dabei an:

 

Brütlinge.

 

Sömmerlinge (auf 3 bis 5 cm vorgestreckte Brut).

 

Einsömmrige Setzlinge (in der Regel im Herbst auszubringen).

 

Jahrzehntelange Versuche in einem belasteten Forellenwasser mit Brut der verschiedensten Herkunft - auch Produktion aus eigenen Laichfischen in eigenen Brutanlagen ohne nennenswerten Transport (Vermeidung von Sauerstoff-Schäden) - haben  gezeigt, daß hierbei nur einige Promille zur Fangreife abwachsen.

 

Lediglich in ganz unbelasteten Brutbächen kann das Ergebnis zwischen lo und 2o % liegen. -

 

Sömmerlinge" (seit 1976 praktiziert) haben sich in unserem belasteten Wasser (gerade noch Güteklasse 2) ganz außerordentlich bewährt.

 

Kontrollabfischungen mit E-Gerät haben gezeigt, daß  nach ca. 2 Monaten 3o bis 4o % noch am Leben waren, ihre Länge verdoppelt und ihr Gewicht mindestens vervierfacht hatten. Diese Fische stammten aus einer Zucht, die die Mutterfische aus eigener Strecke mit etwa gleichem PH-Wert (7) und ähnlichen Charakteristiken wie bei unserem Gewässer entnimmt.

 

Die 1976 mit 3 bis 5 cm ausgesetzten Sömmerlinge hatten nach ca. 2 Jahren eine Länge von ca. 26 bis 32 cm mit einem Gewicht zwischen 18o und 300 g, und es waren sicher noch mehr als 10 % vorhanden.

 

Dabei soll darauf hingewiesen werden, daß die Sömmerlinge - Ende Mai geliefert - mit einigen 100 % Gewichtsvorteil gegenüber in Nebenbächen aufgewachsenen Brütlingen eingesetzt wurden.

 

Sie waren ausschließlich im Bruttrog mit Kunstfutter vorgestreckt, sie waren feist und dadurch anscheinend auch in die Lage versetzt, die böse Eingewöhnungszeit in einem zwar nahrungsreichen aber belasteten Gewässer gut zu überstehen (vielleicht auch deshalb, weil die Bruttröge ja durch die Ausscheidungen der zahlreichen Fische auch als belastet gelten können).

 

Der Besatz mit einsömmrigen Setzlingen einwandfreier Herkunft (garantiert kein Mehrforellenblut!) möglichst aus Brutbächen elektrisch abgefischt ist zweifellos ebenfalls zu empfehlen.

 

Nach unseren Erfahrungen kommen hier aber nicht wesentlich mehr Fische zur Fangreife, was u.U. - nach amerikanischen Untersuchungen - mit dem Stress beim Fang und besonders beim Transport und einer dabei gegebenen außerordentlich schädlichen Milchsäurebildung und -anreicherung im Körper zusammenhängen soll.

 

Hier soll ein hoher Prozentsatz der Fische nach dem Aussetzen unbemerkt sterben.

 

Je älter die Fische sind, um so nachteiliger soll sich dieser "Stress" auswirken, um so schwieriger soll auch die Eingewöhnung im fremden Wasser vor sich gehen.

 

Immerhin, man wird um den Einsatz zweisömmriger Fische (äußerstens) dann nicht herumkommen, wenn es sich um ein sehr stark belastetes Gewässer handelt, in dem ein Kleinfischbesatz nicht hochkommt. Auch kann man natürlich nach einem Sterben einen Bach viel schneller nutzen, wenn man zweisömmrige Fische einsetzt.

 

Auch hier sollte man unterstellen, daß nur unter sehr günstigen Verhältnissen mehr als 50 % fangfähig werden.

 

Wir haben bei unseren Besatzmaßnahmen seit ca. 25 Jahren - die mehr als 1o Jahre durch protokollierte E-Abfischungen kontrolliert werden - beinahe den Eindruck, daß der Prozentsatz der eingesetzten Besatzfische, die fangreif wurden, vom Sömmerling bis zum zweisömmrigen nicht so sehr differieren, wie man annehmen sollte und wie man es durch das Preisverhältnis von ca. 1 : 5 : 15 (Sömmerling : einsömmriger Fisch : zweisömmriger Fisch) erwarten sollte:

 

Es handelt sich hier aber um einen Flachlandbach mit besonderen Verhältnissen, und im übrigen sind unsere Untersuchungen auch noch nicht abgeschlossen.

 

Eins ist natürlich sicher und verführt viele:

 

Der zweisömmrige Fisch ist meist schon nach einem, längstens zwei Jahren fangreif. Bei den anderen muß man eben warten.

 

Dieses nicht warten können oder warten wollen erklärt die immer häufigeren Tendenzen zum Besatz mit fangfähigen Fischen.

 

Ein solcher Besatz ist wohl keine "Bewirtschaftung" eines Gewässers, sondern in erster Linie der Versuch, den Fischereiberechtigten möglichst rasch, möglichst große Fische zum möglichst baldigen Herausfangen zu bieten.

 

Gelegentlich wird solcher Besatz mit der Notwendigkeit des Einbringens von "Laichfischen" begründet.

 

Selbst wenn man sich der Hoffnung hingeben sollte - wie das wohl nur bei ganz wenigen unbelasteten Gewässern möglich ist - daß die ausgesetzten fangfähigen Fische Brut produzieren, so ist dies mit Sicherheit nur völlig unzureichend der Fall.

 

Selbst wenn alles gut geht, die eingesetzten Laichfische nicht kümmern - was wir bei der Neubestockung nach einem totalen Sterben feststellen mußten -, wenn sie nicht abwandern, wenn sie zu etwa 50 % aus Weibchen bestehen (aber welcher Züchter gibt schon seine Weibchen ab?), wenn sie trotz der Streßsituation beim Fangen und Umsetzen zum Ablaichen kommen: in unseren meist überdüngten Gewässern kommt kaum noch Brut hoch, und wie viel Brütlinge glauben wohl die Befürworter dieser Methode von einem Laichpaar erwarten zu können und wie viel von diesen können überleben und groß werden? Nein, ein Besatz mit fangfähigen Fischen ist keine "Bewirtschaftung" von Fließgewässern und nur gerechtfertigt in Teichen, aus denen sie alsbald heraus gefangen werden sollen.

 

Auf jeden Fall sollte man einen Preisvergleich anstellen und bedenken, daß die -zigfache Menge kleiner Besatzfische, die man für einen fangfähigen Fisch unbestimmten Alters bekommt - und Forellen werden eben nur 6 bis 8 Jahre alt! - auch die große Chance bietet, daß die lebens- und anpassungsfähigsten und damit wohl auch schnellwüchsigsten Fischchen groß werden.

 

Abschließend noch der Hinweis auf die Wanderslust der Besatzforellen.

 

Als Ergebnis von Markierungen, die vor Jahren mit dem Institut für Fischereibiologie an der Universität Hamburg durchgeführt wurden, kann angenommen werden, daB nur Brütlinge und Sömmerlinge nach dem Aussetzen nicht wandern.

 

Bereits ein einsömmriger, also einjähriger Fisch ausgesetzt im April mit 16 cm Länge wurde in einem Flachlandbach im Herbst 6 km oberhalb auf 26cm abgewachsen wieder gefangen!

 

Lassen Sie mich noch einmal besonders betonen, daß die oben gemachten Ausführungen sich nur auf zwei Flachlandbäche, mittel bzw. leicht belastet, und einen Bach im Hügelland in einer Höhenlage von etwa 250 m beziehen.

 

Hier sind diese Beobachtungen gemacht worden. Ob die Erfahrungen zu verallgemeinern sind, wird die Zukunft zeigen. Ich meine, daß sie in wesentlichen Punkten auch für andere Gewässer - ausgenommen Gebirgsbäche - zutreffen dürften.

 

 

 

Anlage zu: "Gedanken zum Besatz von Forellenbächen"

 

Auszugsweise aus dem neuesten Leitfaden für die Fischereiausübenden in der Binnenfischerei des Landes Niedersachsen, betitelt:

 

"Die Hege von Fischbeständen", Ausgabe Dezember 1976.

 

"Wenn..... große Mengen fangreifer Fische bestimmter Art ausgesetzt werden, so trägt dies sicherlich nicht zum Ausbau und zur Pflege eines gesunden Fischbestandes bei. Es führt eher zum Kannibalismus, zum Dahinvegetieren oder gar zum Absterben des Bestandes".

 

Auf Seite 17:

 

"Im allgemeinen sollten in einem Gewässer keine Fische eingesetzt werden, die älter als 1 Jahr sind. Durch den Besatz mit Jungfischen werden die Fischnährtiere optimal genutzt, d.h., die Produktionskraft des Gewässers wird ausgeschöpft, und es wird ein natürlicher Altersaufbau erreicht, der letztlich auch eine natürliche Vermehrung der Fischart im Gewässer gewährleistet".

 

Auf Seite 19:

 

"Bei Verwendung von vorgestreckter Brut stellen sich die Fische leichter auf das neue Gewässer ein, und es kommt nicht so leicht zu Verlusten bei Revierabgrenzung unter den Fischen".

 

Auf Seite 32:

 

"In manchen Fällen wird versucht, den Fischbestand in zu stark befischten Gewässer-Strecken durch einen Überbesatz wieder auszugleichen. Dazu werden dann meistens auch fangreife Fische in das Gewässer eingesetzt. Dies hat mit Hege nichts mehr zu tun und käme einer Hälterfischerei gleich".

 

Auf Seite 33:

 

"Große Raubfische im Gewässer rechtfertigen nicht einen Besatz mit fangreifen Fischen".

 

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